Voller Wut und ohne Zukunft
Arbeitslosigkeit
- Im Stadtteil Oberbarmen Schwarzbach leben 31,1 % der unter 25-Jährigen von Hartz IV
- In den benachbarten Stadtteilen Wichlinghausen Nord und Süd sind es 28,2 bzw. 22 %
- Viele der Jugendlichen gehen noch zur Schule
- Aber bereits jeder 10. U25 ist arbeitslos gemeldet
Migration
- Mehr als die Hälfte aller Jugendlichen bis 25 Jahre in Oberbarmen-Schwarzbach haben einen Migrationshintergrund
- In Gesamt-Wuppertal liegt der Anteil bei 36,9 %
Quelle: WZ Donnerstag, 16.10.2008 S. 17
Wovor haben wir eigentlich mehr Angst? Dass die Jugendlichen ihre Ängste um Perspektivlosigkeit und Hoffnungslosigkeit öffentlich verkünden oder dass wir oder auch unsere Kinder vielleicht selbst schneller denn je Opfer dieses Teufelskreislaufs aus Armut, Arbeitslosigkeit, Drogen und Kriminalität werden könnten? (Oder sind wir es schon?)
Wer möchte schon als Verlierer der Gesellschaft gelten?
Wenn wir ehrlich zueinander sind, dann muss uns jedoch auffallen und klar werden, dass ein jeder bereits seinen Teil zum Verlieren beigetragen hat. Familien mit vielen Kindern und vielleicht noch dem ein oder anderen Migrationshintergrund werden in die Stadtteile empfohlen, in denen sie unter „ihresgleichen“ seien können. Wir meinen es ja nur gut, damit sie sich auch heimisch und verstanden fühlen. Letztendlich führt dieses Verhalten jedoch zu einem unaufhaltsamen Prozess der Ghettoisierung.
Jugendliche, die auffallen, weil sie mit pubertären Machtspielchen um Aufmerksamkeit buhlen und ihrem Profilierungszwang in einem Lebensraum ohne Zukunft den Deckmantel des (Ver-)Schweigens entrissen haben, weil sie in der Öffentlichkeit trinken, kiffen oder rumpöbeln, werden von ihren Treffpunkten und Plätzen verwiesen. Sei es das Jugendzentrum, der Park, ein Spielplatz, der Hauseingang, ein Bahnhof etc. Na klar, wir wollen damit Einrichtungen und Öffentlichkeit „sauber“ und für jeden zugänglich halten, aber ist das im Prinzip nicht nur eine Problemverschiebung anstelle einer Lösung.
Wer kann eine adäquate Ursachenbekämpfung hier eigentlich noch leisten? Und wo verdammt noch mal liegen die Kampf verursachenden Faktoren tatsächlich?
Lokalisieren und eliminieren – hört sich gut an, aber wo soll man ansetzen? Muss die Stadt den Jugendlichen eine vielseitigere Angebotspalette für Freizeitmöglichkeiten bereitstellen? Wird so nicht die Lust auf Arbeitslosigkeit gleich wieder gestärkt? Muss der Staat die Regelleistungen so weit kürzen, dass es sich auch für den 15-jährigen Schulabbrecher wirklich lohnt, sich dem Schul- und Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stellen, anstatt einen Lebensfrust sondergleichen gemeinsam mit den am Existenzminimum verzweifelnden Eltern 24 Std. am Tag erleben zu dürfen? Sollten wir jeden gewaltbereiten, potenziell kriminellen und zu allem bereiten Mensch zum Mittagessen und einem heißen Bad einladen? Brauchen Rentner einfach mehr Selbstverteidigungstraining? Sollte der Fernsehsender RTLII schlichtweg verboten werden? Oder sollten Drogen jeglicher Art soweit legitimiert werden, dass sich durch den ein oder andren Überkonsum manche Probleme ganz von selbst lösen?
Fragen über fragen… Jeder kann seinen schlauen Beitrag dazu beisteuern, aber vom vielen Reden wurde noch niemandem, der sich von Armut und Isolation geprägt als gleichwertiges Mitglied der Gesellschaft fühlen soll, wirklich geholfen.
Vielleicht gibt es auch gar keine Hilfe, um aus unserer verdorbenen und stetig verschlechternden Gesellschaft wieder eine gute zu machen. Vielleicht macht es ab einem bestimmten Zeitpunkt tatsächlich Sinn, die Dinge zu nehmen, wie sie sind. Die Welt ist ohnehin eine tickende Zeitbombe – Kriege, Massenvernichtungswaffen, gehäuftes Auftreten von Seuchen in Form von Pandemien, oder Umweltzerstörung mit der Folge weltweiter Hungersnöte, Verteilungskriege und Finanzkrisen u.v.m.
Es wird dem Mensch ein leichtes sein, sich selbst zu zerstören. Lassen wir ihn doch machen. So lebt jeder das, was er kann und wozu er bestimmt ist. Im Sinne der Darwinschen Evolutionstheorie „Survival of the Fittest“ wird unser Planet in den nächsten Mio. Jahren dann eben von Kakalaken bewohnt.
Die Zukunft einer funktionierenden Gesellschaft kann nur durch körperliche Stärke und Durchsetzungsfähigkeit im Sinne einer direkten Konkurrenzverdrängung passieren. Wenn es sein soll, dann eben auch unter Einsatz von Gewalt und Kriminalität. D.h. nicht, dass die Menschen überleben, die allem trotzen und andere fertig machen, sondern diejenige, welche sich entweder der Umwelt optimal anpassen oder es schaffen, sich trotz widriger Lebensbedingungen kontinuierlich zu vermehren. Und jetzt mal im Ernst, welche Familien entscheiden sich denn für viele Nachkommen, obwohl die sozialen und materiellen Ressourcen für Aufzucht und Pflege nicht gegeben sind? Sind es nicht genau die, welche wir versuchen aus dem schönen Bild der gemütlichen Stadt zu verdrängen?
man sollte einmal darüber nachdenken, wer sich hier in welchem Teufelskreislauf bewegt. Wer im System der organisierten Unverantwortlichkeit eigentlich wem die Schuld in die Schuhe schieben möchte. Im weitesten Sinne, so muss man aber festhalten, sind Weltuntergangsszenarien auch solche, die „nur“ das „Auslöschen“ des größten Teils der Menschheit und ihrer Lebensumgebung bedeuten, gegenwärtiger denn je zuvor und das bei jedem jeder sozialen Gruppe, jederzeit und überall.
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- Published:
- 20.10.08 / 8pm
- Category:
- cultura
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